Kendo – was ist das eigentlich?
Nachgefragt bei Anja König, Leiterin der Kendo-Sparte im TSV Ingolstadt Nord
Was bedeutet eigentlich Kendo?
Kendo ist japanisch und bedeutet wortwörtlich „Weg des Schwertes“. Ken ist das japanische Wort für Schwert. Der Begriff Dô bedeutet Weg oder auch Art und Weise. Es handelt sich also um japanische Schwertfechtkunst.
Wie und wo ist diese Sportart entstanden?
Kendo ist eine japanische Kampfsportart, die sich aus der Samurai-Kaste entwickelt hat. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist den Samurai allmählich verboten worden, in der Öffentlichkeit Schwerter zu tragen. Der Schwertkampf wurde in dieser Zeit versportlicht und so ist schließlich Kendo entstanden. Die eigentlichen Ursprünge gehen aber in die Zeit des frühen Mittelalters zurück, deswegen hat Kendo auch viel mit Respekt und Ehre zu tun.
Wann kam der Sport nach Deutschland?
Kendo kam in den 1970er und 1980er Jahren nach Deutschland. Der älteste Kendo Verein in Bayern ist jetzt 40 Jahre alt geworden.
Worum geht es beim Kendo?
Es geht darum, eine Einheit zu bilden, eine Einheit von Seele, Körper und Schwert, das Ki-ken-tai-itchi. Diese Einheit sollte so perfekt wie nur möglich beherrscht werden, um den Gegner auch richtig zu treffen. Es wird also nicht drauf los geprügelt, sondern es gibt definierte Trefferflächen, die mit der richtigen Technik, zum richtigen Zeitpunkt und mit der korrekten Nachbereitung getroffen werden müssen. Drei Kampfrichter beurteilen dabei, ob ein Treffer entsprechend den Regeln gesetzt worden ist.
Welche Bekleidung und welche Ausrüstung ist für diese Sportart notwendig?
Natürlich ein Schwert. Das steckt ja schon im Wort Kendo. Aber es handelt sich um kein scharfes Schwert, sondern ein sogenanntes Shinai, also ein Bambusschwert. Einsteiger trainieren erst einmal in ganz normaler Sportkleidung mit einem Shinai, das zunächst gestellt wird. Wer sich dann entscheidet, weiter zu machen, bekommt sein eigenes Bambusschwert und legt sich nach und nach die notwendige Ausrüstung zu. Die besteht zunächst aus einem Holzschwert (Bokuto) und der traditionellen japanischen Sportkleidung Hakama (Hosenrock mit weitgeschnittenen Beinen) und Gi (Trainigsjacke), alles in einem dunklen Blauton. Es gibt auch bestimmte Senseis, also Lehrer, die weiß tragen dürfen und Frauen dürfen weiß tragen. Schließlich kommt noch die Rüstung dazu, die aus Men (Kopfschutz), Do (Rumpfschutz), Kote (Handschuhe) und Tare (Lendenschutz) besteht. Diese Rüstung ist zwar ein bißchen teurer, dafür aber auch langlebig. Ich mache das seit zehn Jahren und habe immer noch meinen ersten Men und meinen allerersten Do.
Es geht ja durchaus geräuschvoll zu. Was wird denn da gerufen und warum?
Derjenige, der angreift, schreit die Trefferfläche raus, die er treffen möchte. Das ist nach dem Prinzip des Ki-ken-tai-itchi die Seele, die man hier hinaus schreit. Schlägt man zum Beispiel auf den Kopf (Men), schreit dabei aber Do oder Kote, dann weiß der Kampfrichter, dass man den Kopf eigentlich nie treffen wollte. Außerdem geht es darum, den Gegner zu beeindrucken. Von einem zögerlich Laut lässt sich der nicht verunsichern, aber wenn man das aus dem Innersten heraus brüllt, ist das sehr ehrfurchtgebietend.
Muss man japanisch können, um Kendo zu lernen?
Absolut nicht! Ich kann auch kein Japanisch, ich kenne nur die Begriffe, die im Kendo verwendet werden. Das bekommt man mit der Zeit mit und gerade wenn man mit dem Sport anfängt wird durch den Sensei (Trainer) auch Vieles genau erklärt. Die Begriffe sind natürlich weltweit identisch, das heißt ein Kendoka kann problemlos überall auf der Welt, wo dieser Sport betrieben wird, mit trainieren. Man ist überall Mitglied der großen Kendofamilie.
Wer kann diese Sportart erlernen? Gibt es Altersbeschränkungen?
Es gibt keine Beschränkungen. Ich unterrichte aber erst Anfänger ab 10 Jahren aufwärts. Es gibt auch Personen mit Handicap, die zum Beispiel nur einen Arm haben oder keine Beine, die Kendo praktizieren.
Welche Stufen kann man als Kendoka erringen?
Man fängt mit der niedrigsten Schülerstufe, dem sechsten Kyu an. Das geht dann bis zum ersten Kyu. Man kann alle sechs Monate eine Prüfung ableben. Nach dem ersten Kyu hat man ein Jahr Zeit, sich auf den ersten Dan vorzubereiten. Man kann das mit den Gürteln in anderen japanischen Kampfsportarten vergleichen: Mit dem ersten Dan hat man einen schwarzen Gürtel und ist nun Lehrer und kein Schüler mehr. Das geht dann weiter, dass man nach einem Jahr den zweiten Dan, nach zwei Jahren den dritten Dan und nach drei Jahren den vierten Dan usw. machen kann. Das geht bis zum achten Dan. Allerdings gibt es bis jetzt nur männliche Japaner, die diesen Grad erreicht haben. Einige Japanerinnen sind zwar Anwärterinnen, aber bis jetzt herrscht da noch das Patriarchat.
Es gilt der Satz „Kendo ist mehr als ein Sport“. Was bedeutet das?
Beim Kendo geht es nicht darum, dem anderen „auf den Kopf zu hauen“. Kendo ist eine Lebenseinstellung. Man kann diese Einstellung, die man im Dojo – also dem Sportbereich – hat, auch in das „normale“ Leben mit rüber nehmen. Man muss für sich und sein gegenüber Verantwortung übernehmen, das gilt zum Beispiel auch für die Pflege des Schwertes.
Kendo ist ein Kampfsport. Da kämpft eine kleine Frau gegen eine andere Frau genauso wie gegen einen zwei Meter großen Mann. Jeder kann beweisen, dass er sich wehren kann. Dabei nimmt man automatisch eine ganz andere Haltung ein. Wenn der kleinen Frau nun auf der Straße einer blöd kommt, ist sie sich sicher, dass sie gerade eine „Zwei-Meter-Bulldogge“ gekämpft hat und sie denkt sich: Was willst denn Du hier? Durch Kendo lernt man, selbstbewusst aufzutreten.
Im Kendo legt man außerdem sehr viel Wert auf die Etikette. Das beginnt zum Beispiel schon bei der Schleife, die man am Gi bindet. Wenn diese Schliefe senkrecht steht, dann steht das für Trauer. Die Schleife sollte also immer waagrecht gebunden sein. Es sollten auch keine Falten am Rücken zu sehen sein, um damit zu zeigen, dass man den Sport und auch den Gegner respektiert. Das sieht natürlich auch schicker aus und macht etwas her. Steht jemand in schlampiger Kleidung vor Dir, dann merkst Du gleich, der nimmt das mit dem Kendo nicht so ernst. Auf die Bekleidung wird deshalb auch bei den Prüfungen für die einzelnen Grade genau geachtet.